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Anklöpfeln - Kletzei-gehen im Rupertiwinkel und Berchtesgadener Land
Kletz, Kletz...

Schon von weitem zu hören ziehen sie durch die abendlichen Straßen und erbitten mit ihrem Singen kleine Gaben. Als Segen gilt es, wenn sie mit ihren Liedern an die Haustüre kommen. Vermummt und in Lumpen gekleidet, das Gesicht geschwärzt, damit sie niemand erkennt und sie verabschieden sich mit „Kletz,  Kletz…“. An den ersten beiden Donnerstagen im Advent richten die Hausfrauen bereits am frühen Nachmittag eine Schüssel mit allerlei Süßigkeiten, Orangen, Mandarinen und Nüssen her, um gerüstet zu sein für die Kletzein.

Wie bei so vielen Bräuchen, lassen sich auch hier die genauen Anfänge nicht feststellen. Bereits 1450 sprechen Aufzeichnungen von Klöpfelnächten und es finden sich Belege, die anderweitige glückbringende Praktiken an den Donnerstagnächten vor Weihnachten überflüssig machen: „An den dreyen donnerstagnächten, die da sind nächst vor Weihnachten, bedarfst du nicht umb den prunnen geen und den habern und leyn saen. Als man dann pflegt zu der zeit als es das gluck geytt, sunder dir wider fertt glückes genug.“ Sebastian Frank berichtet 1534 im „Weltbuch“ von Lohn für das Glückwünschen. Die „maydlin und knaben“ verkündeten von Haus zu Haus gehend von der bevorstehenden Geburt des Herrn und wünschten ein „glückseliges jar“.

Dafür erhielten sie „öpfel, birnen, nusß und auch Pfennig zu Jar“.Über die Jahrhunderte erlebte der Brauch auf Auf und Nieder, ein Für und Wider. Die Reformationszeit (1517 – 1648) tadelt immer wieder den dämonischen und verderblichen Einfluss der vorweihnachtlichen Zeit. Um 1600 zu lesen in einem Papistenbuech: „Das Advent 3 Wochen vor dem neuen Jahr oder dem Geburtstag Christ soll Petrus aufgesetzt haben, dass man sich darinn uff die Zukunft Christi bereiten soll. Diese drei Donnerstag ist an viel Örtern der Brauch, das die Kind in der Statt herumgehen und an die Häuser klopfen; den gibt man Nuß, Äpfel, Birnen und Lebkuchen. Diese Necht helt man für scheulich und verworfen tag, förcht sich vor Gespennst, Unholden, Hexen und Drutten.“ Das protestantische Augsburg verbietet „bey ernstlicher Straffe“ das Anklopfen. In nicht protestantischen Gebieten lebte der Brauch jedoch weiter und uferte teilweise wegen grober Sachbeschädigungen des „Anklopfens“ in Schlägereien aus. Mit Kieselsteinen beworfene Fensterscheiben gingen zu Bruch, der Lärm und das Geschrei versetzte die Menschen in den Häusern in Angst und Schrecken. Wahrscheinlich gab es nebeneinander zwei Brauchformen: ein ursprünglicheres, wilderes, nachsichtig geduldetes Anklöpfeln der Erwachsenen und eine verharmloste, verniedlichte, sogar unterstützte  Form als Kinderbrauch. Als fester Begriff stand die Klöpfelsnacht mittlerweile im Kalender und sogar eine Münchner Hofhaltsrechnung von Herzog Albrecht VI. von 1630 nennt um den 20. Dezember eine Anklopfnacht.

Der Brauch zeigt zwei Gesichter: Das freundschaftliche Anklopfen mit Segenswünsche und Gaben der Fruchtbarkeit und das bösartige mit Verwünschungen und Steinwürfen. Zuweilen musste das erste zur Tarnung des anderen dienen. Damit zeigt sich der Brauch wohl oft missbraucht als Volksrüge und zu privater Rache.

Die Gegenreformation belebt das geistliche Anklopfen im christlichen Sinne neu (Schrift von 1593): „Es soll sich ein Christ erinnern, dass die Klöpfelsnächt, die zu dieser Zeit einfallen, bedeuten, dass Gott der Herr und auch die Menschen beieinander anklopfen.

Wie so viele andere Bräuche und Gewohnheiten, wollte die Aufklärung (beginnend ca. 1780) den Klöpfelbräuchen ein Ende setzen. Es missfiel die „beinahe unbegreifliche Grobheit“ und man frage sich, wieso man sich das gefallen lasse. „Es ist“, so zu lesen in einer heftigen Ablehnung 1792 in Nürnberg, „als ob dieser schändliche Gebrauch durch Gewohnheit und Zeit sanctioniert wäre. Lange schon hätte die Polizey diesem Unwesen steuern sollen“. Unter anderem seien die Schulen an diesen Tagen leer, da jedes Kind sich auf den Gassen herumtreibe. Nach mehreren älteren Verboten untersagten die Münchner 1802 nochmals ausdrücklich den Brauch. Man begann aber bereits, sich unter volkskundlichen Gesichtspunkten für das alte Brauchtum zu interessieren. Auch die brauchtumsfeindliche Säkularisation (ab 1802) konnte die Bräuche der Klöpfelsnacht in Oberbayern, Schwaben und Franken nicht beenden, wie die achtbändige „Bavaria“ von 1860 beweist. Dort zu lesen: „…dass sie aber nur in den beiden ersten Klöpfelsnächten so umziehen durften, in der dritten aber nicht mehr, da in dieser der Teufel mit umzöge.“ Zu der Zeit scheinen es die Armen des Dorfes zu sein, die sich mit dem Anklöpfeln ein kleines Zubrot verdienen und die im Winter arbeitslosen Salzschiffer nutzten das Klöpflgehen zum Betteln.

Aufrufen nach 1900, die ehrwürdigen Bräuche nicht aussterben zu lassen, folgt 1930 ein Bericht aus einem kleinen schwäbischen Dorf. Der Gemeinderat hatte beschlossen, die Klopfertage abzuschaffen und den Kindern stattdessen an der Gemeindekasse ein Brezelgeschenk zu machen. Daraufhin der Pfarrer von der Kanzel: „Und das alles wollt ihr abtun und es durch eine dumme Abfütterung ersetzen! Nehmt dem Winter doch nicht die Lichter und überantwortet euer Dorf nicht der Langeweile, indem ihr der Jugend die Spannung eines tapferen Brauches raubt.

“„Kletz, Kletz …“ so ziehen Kinder heute noch von Haus zu Haus in der spannenden, kalten, stockdunklen Winternacht.